15.4.07

Jakobsweg Schweinfurt-Würzburg-Ochsenfurt

An so einer Jakobswanderung ist ja das Besondere, dass man einerseits auf einer vorgegebenen Route durch die Landschaft tingelt und andererseits dabei möglichst kontemplative Innenschau hält. Das könnte man ja nun auf jeder Wanderung tun und auch noch bei ganz vielen anderen Tätigkeiten, die den Geist nicht zu sehr ablenken. Aber – nur wo Jakob draufsteht ist auch Jakob drin. Denn diese spezielle Sorte der Wanderschaft trägt eben von vorneherein das Etikett einer spirituellen Wanderung. Möchte jemand nun von so einer Unternehmung berichten, gibt es mehrere Möglichkeiten. Eine ist z. B. Fotos zu zeigen und über den Weg, die Landschaft, die Örter, Kirchen, Klöster und die anderen Sehenswürdigkeiten zu informieren. Eine andere Möglichkeit wäre es, über sich selber zu erzählen, die eigenen Gedanken, Erkenntnisse, inneren Beobachtungen und Kämpfe etc., also Nabelschau zu halten. Ich werde mal von allem etwas probieren, denn allzu tief möchte ich ja auch nicht blicken lassen.


alte Mühle bei Egenhausen
Die ersten drei Tage waren aber die Hölle für mich. Vom Couchpotatoe- und Winterschlafmodus in einem Tag zum Extremwanderer - alles tat mir weh, sogar der alte Hexenschuss vom Winter meldete sich wieder. Voller verzweifeltem Ehrgeiz kam ich nicht auf die Idee, erstmal langsam anzufangen. Neben meinem leichtfüßig tänzelnden, langbeinigen und normalgewichtigen Lebensgefährten bin ich einfach eine lahme Schnecke, und die ersten Tage habe ich mich deswegen bloß runtergemacht. Bis ich in der dritten Nacht einen Traum hatte, der mir offenbarte, dass es so nicht funktioniert. Ab da ging es wunderbar. Ich wurde zwar nicht schneller, aber ich war zufrieden mit meinem eigenen Tempo, und jeden Morgen freute ich mich darauf, wieder weiter zu laufen. An dieser Stelle auch einen Dank für die Gelassenheit des Liebsten, mit der er meinen Stress ertrug.

Kontraste: Wind-Kraft-Feld und Kondensstreifen bei Güntersleben
Ich weiß sowieso nicht so genau, ob wir in dieser Woche eigentlich eher eine Wandertour oder doch mehr eine Schlafkur gemacht haben. Abends waren wir immer so müde, dass wir am liebsten schon um acht Uhr ins Bett gegangen wären, hielten uns aber bis gegen 22 Uhr mit dem Lesen und Hören von Büchern wach. (Passenderweise hatten wir „Globus Dei“, gelesen vom Autor Helge Schneider selbst, dabei.) Geschlafen haben wir dann meistens bis neun Uhr morgens. Dann setzten wir uns erstmal in die Sonne, die glücklicherweise fast jeden Tag schien, und tranken unseren Grüntee. Danach gab es ein Frühstück, die Tagesrucksäcke wurden gepackt, der Bus aufgeräumt, sowie an einem gut erreichbaren Platz geparkt, und los ging es dann erst frühestens ab zwölf. Gewandert sind wir mit Pausen bis gegen fünf Uhr nachmittags, dann setzte ich mich irgendwo hin, und der Mann an meiner Seite verließ dieselbe, um den Weg zurück zu trampen und den Bus zu holen. Gemeinsam suchten wir dann einen schönen, einsamen Schlafplatz, an dem uns morgens die Sonne wecken würde.

unterhalb des Klosters Oberzell unterm WalnussbaumAlso mit Kilometerzahlen können wir echt nicht prahlen, in siebeneinhalb Tagen sind wir nur rund achtzig Kilometer gewandert. Das schaffen andere in drei bis vier Tagen. Aber wie heißt es doch so schön? Der Weg ist das Ziel! Diese Feststellung ist zwar ziemlich abgedroschen, aber in diesem Zusammenhang finde ich sie immer noch genial passend. Sonst könnte ja einer auch mit dem Jet nach Santiago düsen und meinen, er wäre auf dem Jakobsweg gewesen. Ist er dann vielleicht auch, zumindest auf einem sehr speziellen Trip.

Da ich den Wettervoraussagen nicht so recht getraut hatte, wurden meine Füße jeden Tag in den Stiefeln und Wollsocken ziemlich heiß. Dafür war es abends und an manchen Morgenden so kühl - auch mal nur 1° - da waren die warmen Sachen, die ich eingepackt hatte, dann sehr willkommen.

Bei dieser dritten Etappe des Weges haben wir uns einige Freiheiten herausgenommen. Während wir in den vergangenen Jahren immer treu und brav dem Verlauf der Beschilderung gefolgt sind, erlaubten wir uns diesmal, viele der Orte und Kirchen, die wir uns eigentlich ansehen sollten, links liegen zu lassen. Wir wollten am liebsten immer nur im Grünen laufen. Die Unterfranken scheinen aber auch ein sehr frommes Volk zu sein. Noch nie sah ich eine derartige Anhäufung von Marienstatuen, Bildstöcken, Kreuzwegstationen und anderen Heiligenfiguren. An fast jedem Haus war so etwas angebracht, aber auch an den Straßen, auf Plätzen und außerhalb der Ortschaften. Dafür gibt es kaum Gasthäuser auf den Dörfern, und die wenigen, die wir dann doch fanden, waren am Karfreitag alle zu. Und ich dachte immer, Fulda wäre so katholisch…

"Schwarze" Madonna von Eibelstadt

Am Ostersonntag wanderten wir durch den Gramschatzer Wald. Der ist so groß, dass sich die Süßigkeiten versteckenden Eltern und Großeltern und die Eier suchenden Kinder, die ihnen folgten, ganz gut im Wald verteilten, bzw. nur einen kleinen Abschnitt des Forstes nutzten. Die meiste Zeit des Tages waren wir unter uns und kletterten über die vielen umgestürzten Bäume, die immer noch auf den Wegen lagen. Zum Kampieren stellten wir uns abends auf einen einsamen Parkplatz im Gehölz. Die Nacht war kalt und klar, und die funkelnden Sterne schienen an den Spitzen der hohen, kahlen Bäume befestigt zu sein. Auf einmal wusste ich, wie die Menschen drauf gekommen sind, Kerzen auf einen Baum zu stecken. Gegen vier Uhr morgens wachte ich von einem lauten Ruf auf. Mein Liebster hatte ganz furchtsam „Nein!“ gerufen. Er wiederum war von einem lauten Krachen wie von umstürzenden Bäumen ganz in der Nähe wach geworden. Ich habe dabei so einen Schreck gekriegt, ich wäre am liebsten sofort von dort abgehauen, ehe noch mehr Bäume vielleicht auf unser Schlafzimmer fallen würden. Dazu waren wir aber viel zu müde, also machte ich mir erstmal einen Tee, um mich wieder zu beruhigen. Am nächsten Morgen fanden wir dann drei Eichen, zwei dicke und eine dünnere, die keine 50 m von uns entfernt quer über den Weg gestürzt waren, auf dem wir am Abend zuvor noch gewandert sind.

Da es in Unterfranken fast nur Weinorte gibt, kamen wir an vielen Plakaten mit Ankündigungen für den Betrieb von Heckenwirtschaften vorbei. Wir hatten keine Ahnung, was das sein sollte. Zuerst stellte ich mir so eine Art Biergarten außerhalb der Ortschaft darunter vor. Also probierten wir mal eine aus, die allerdings mitten im Ort lag und über Ostern geöffnet hatte. Wir setzten uns zusammen mit etlichen Einheimischen in den Hof an einen riesigen Holztisch. Die mussten uns erstmal die Speisekarte übersetzen. Blaue Zipfel, Weinbeißer, Gerupfter, Rot- und Weißgelegte, was das wohl sein sollte? Wir erfuhren darüber hinaus auch, was es mit den Heckenwirtschaften eigentlich auf sich hat. Diese dürfen nämlich nur von den Winzern selber betrieben werden, und das auch nur zu bestimmten Zeiten im Jahr. Außerdem sollte auch alles andere Angebotene aus eigener Herstellung sein. Dafür zahlen sie dann weniger oder gar keine Schankkonzessionen. In früheren Zeiten sollen die Heckenwirte gern auch schon mal ihr eigenes Wohnzimmer als Gaststube zur Verfügung gestellt haben.

Mainwein
MargetshöchheimGanz besonders gut gefallen hat uns die zweite Hälfte unserer Fußreise. Da sind wir nämlich am Main entlang gewandert, von Veitshöchheim an über Würzburg bis Ochsenfurt. Währenddessen haben wir ihn insgesamt fünfmal überquert, zweimal davon auf sehr luftigen Gitterstegen von Staustufen. Wir haben uns dennoch richtiggehend für den Fluss begeistern können. Mein Liebster verstieg sich sogar bis zu dem Ausspruch, dass er sich an diesem Wasser ähnlich wohl fühlt wie sonst nur am Mittelmeer. Ich kannte den Fluss bisher nur aus Frankfurt und von der Alten Mainbrücke in Würzburg aus, auf der manchmal Kunsthandwerkermärkte stattfinden.

Alte Mainbrücke in WürzburgDer Main ist ein nicht besonders tiefer aber sehr breiter und wegen der vielen Staustufen gemächlich dahin fließender Strom. An seinen Ufern sind Steinmolen aufgeschüttet, die mit der Zeit bewachsen und Wasserbecken umschließen, die so vor den Bugwellen der Lastkähne geschützt sind. Hier entstehen Biotope wie kleine Teiche, wo allerlei Pflanzen und Tiere sich ansiedeln. Außer Enten, Blesshühnern und Schwänen sahen wir auch Graureiher, und zweimal habe ich kleine Gruppen von Wildgänsen beobachtet, die auf dem Wasser schwammen. An einer der Staustufen konnten wir dabei zuschauen, wie der Greifer eines kleinen Krans einen riesigen, toten Fisch, mindestens einen Meter lang, zusammen mit Ästen und allerlei Unrat, der sich im Filter der Kraftwerksanlage verfangen hatte, in einen Container entlud. Später sahen wir auf einer großen Schautafel am Ufer die Fische abgebildet, die im Main leben. Das sind fast vierzig Arten, von denen die größten wie Karpfen, Hechte und Aale über einen Meter groß werden können, und Welse gibt es, die sogar bis zu drei Metern Länge erreichen. Teichmuscheln, so groß wie zwei zusammengelegte Hände, haben wir an den kleinen Stränden gefunden, die an manchen Stellen entstanden sind, und die richtig zum Baden einladen. Allerdings war das Wasser viel zu kalt, und für seine Sauberkeit würde ich auch nicht garantieren. Aber unsere Füße haben wir darin gekühlt, so oft es ging, und auch die Hunde wollten immer wieder gern Stöckchen aus dem Wasser holen.






ob wir das bei unserem Tempo in diesem Leben noch schaffen?Leider haben wir auf der Tour unsere Papiere verloren, sowohl die Führerscheine als auch die Persos, und ein paar Scheine waren auch dabei. Um meinen Führerschein tut es mir echt leid. Das war nämlich noch so ein großer grauer Lappen aus den sechziger Jahren mit einem Foto von mir als Siebzehnjähriger drin. Noch nie hatte den während fast vierzig Jahren jemand außer mir sehen wollen, und nun ist er weg. Wusste das übrigens jemand außer meiner großen, klugen Tochter, dass man so einen Fund, so wie er ist, in den nächsten Briefkasten stecken kann und die Post ihn der Polizei aushändigt?

Und ganz am Schluss, kurz bevor wir in den Bus stiegen, um nach Hause zu fahren, schenkte mir der Main noch ein Stück von einem versteinerten Ammoniten, der im flachen Uferwasser lag.

7 Kommentare:

Evelyn hat gesagt…

Danke für Deinen gelungenen Jakobs-Cocktail, an dem ich mich erfreut hab statt zu putzen, wie ich mir vorgenommen hatte, aber wegen nicht fliessendem Wasser sein liess.
ULTREYA und lieber Gruss vom Zugvogel aus Chiangmai.

Juansi hat gesagt…

Ja, Cockail ist gut, das war der Plan. Ich habe auch noch mehr Fotos reingesetzt seit heute Morgen.
Ultreya habe ich mal gegoogelt, das hatte nämlich vor Dir noch keiner zu mir gesagt. Schöne Aufmunterung. Hoffe, das Wasser fließt wieder.
Herzliche Grüße von Juansi

Anonym hat gesagt…

Schööööön...

Danke, Du Liebe, fürs Teilhaben-Lassen!

Wölkchen

Anonym hat gesagt…

wie schön, daß es doch noch geklappt hat.
Schöne Bilder und der Bericht hatte nur einen "Fehler":
er war zu kurz *zwinker*
danke Dir dafür -
ich drück Dich lieb -
Dagmar

Juansi hat gesagt…

Freut mich, dass es Euch gefällt. Ich kann auch gar nicht aufhören, an diesem Post weiter zu basteln. Hab grad schon wieder ein neues Foto reingesetzt.
Liebe Grüße
J.

MyM hat gesagt…

wow, dann hat sich das beharrlich sein, ja echt gelohnt. für euch und auch für uns. vielen dank fürs teilen. m

Anonym hat gesagt…

Netter Beitrag